Maria Dostler
Maria Dostler wurde am 21. März 1903 in Grafenwöhr, Landkreis Eschenbach in der Oberpfalz (Bayern), geboren. Am 27. November 1929 war sie in die „Heil- und Pflegeanstalt Regensburg“ aufgenommen worden.
Aus den erhaltenen Dokumenten, lassen sich die Monate kurz vor und nach dem Tod von Maria Dostler so rekonstruieren:
Am 2. Mai 1941 wurde die Kranke aus der „Heil- und Pflegeanstalt Regensburg“ auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars in eine andere Anstalt verlegt wie der Direktor der Anstalt in Regensburg am 6. Mai 1941 ihrer Mutter Anna Frank in einem Verlegungsschreiben mitteilte. Um welche "andere Anstalt" es sich handelte, erfuhr Frau Frank zunächst nicht.
Einige Tage später, am 5. Mai 1941 erhielt Frau Frank ein Schreiben der "Landesanstalt Hartheim", dem sie entnehmen konnte, dass ihre Tochte Marie dort aufgenommen worden war. Sie wurde informiert, dass aus mit der Reichsverteidigung im Zusammenhang stehenden Gründen Besuche nicht möglich seien und auch keine telefonischen Auskünfte erteilt werden könnten. Natürlich wollte man sich so lästige Nachfragen besorgter Angehöriger ersparen.
Mitte Mai erreichte die Mutter von Maria Dostler ein Beileidschreiben aus Hartheim. Frau Frank mußte die Nachricht vom Tod ihrer Tochter lesen: Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Tochter Marie Dostler heute infolge status epilepticus gestorben ist.
Man bot der Mutter an, die Urne überführen zu lassen, wenn sie das innerhalb von 14 Tagen beantragen sollte. Außerdem legte man zwei Sterbeurkunden bei. Die Mutter machte keinen Gebrauch von dem Angebot zur Überführung. Die Urne wurde daher, wie von der „Landesanstalt Hartheim“ mitgeteilt, in Steyr „auf dem neuen Urnenfriedhof Gemeinschaftsnische I beigesetzt".
Ein Schreiben aus der Anstalt Michelfeld vom 13. Juni 1941, wo Maria Dostler lange untergebracht gewesen war, ermahnte die trauernde Familie dazu, den Schmerz gottergeben zu tragen. Der einzige Satz, der sich etwas genauer auf das Schicksal der Ermordeten bezieht, lautet: Ihr Los auf Erden war bitter hart und ihr Sterben furchtbar einsam, aber jetzt geht's ihr gut ...
Es ist schwer zu sagen, ob es sich bei diesem Brief um eines der üblichen Beileidsschreiben oder um einen verklausulierten Hinweis auf die Todesumstände handelte.
Damit war die Sache aber noch nicht abgeschlossen. Nachdem Maria Dostler offenbar als "Selbstzahlerin" untergebracht war, stellte die "Zentralverrechnungsstelle vereinigter Heil- und Pflegeanstalten" in Berlin die Pflegekosten für Maria Dostler in Rechnung. Hinter dem ziemlich harmlosen Namen verbarg sich die Stelle, die die Kosten für die ermordeten Kranken abrechnete.
Da häufig der offizielle Todestag auf einen Tag nach der Tötung datiert wurde, erzielte die Zentralverrechnungsstelle Einnahmen, mit denen der Euthanasie-Apparat selbst finanziert wurde.
In zwei längeren Schreiben begründete die Zentralverrechnungsstelle ihre finanziellen Forderungen. Offenbar hatte Anna Frank Einwände gegen die Kostenrechnung erhoben; ihre Briefe sind jedoch leider nicht erhalten geblieben.
Aus einem Gespräch mit Frau Wurdack (Bayreuth) über ihre Tante Maria Dostler, am 28.11.2005:
Ich kannte meine Tante gar nicht. Sie ist 1941 ermordet worden, da war ich ein Jahr alt. Sie selbst hat mich vielleicht gekannt. Meine Großmutter heiratete 1898 einen Witwer mit vier Kindern, mit ihm hatte sie nochmals vier Kinder. Das zweite Kind war Maria, 1902 geboren, das vierte Kind, 1906 geboren, war meine Mutter. Dann verstarb der Mann meiner Großmutter. Sie heiratete nochmals und bekam noch einen Sohn. Der zweite Ehemann ist auch bald gestorben.
Frage: Ist in ihrer Familie über die Tante geredet worden?
Nein, nie. Weil ich ja nichts wusste, habe ich auch nichts fragen können.
Wie haben sie von ihrer Tante erfahren?
Als mein Cousin die Gastwirtschaft unserer Familie übernahm, sagte er zu mir, dass er viele Unterlagen gefunden hätte und ob ich diese möchte. Durch diese Unterlagen erfuhr ich vom Schicksal meiner Tante. Ich kopierte mir alle Unterlagen und gab ihm dieselben wieder zurück. Das war ca. 1980.
Vor einigen Jahren verbrachten mein Mann und ich ein paar Tage in der Nähe von Hartheim. Mittlerweile hatte ich ja einiges erfahren aus den Unterlagen und beschlossen, das Schloss Hartheim zu besuchen. Das Schloss war zu einer Gedenkstätte umgebaut worden. Ich sprach mit einer Mitarbeiterin der Gedenkstätte und erlaubte ihr, alle Unterlagen zu kopieren.
Welche Krankheit Maria Dostler hatte, weiß ich nicht. Den Unterlagen nach muss sie geistig behindert gewesen sein. Sie lebte vor ihrem Abtransport in Michelfeld (in der Nähe von Auerbach in der Oberpfalz) in einem Kloster als Stickerin. Sie kam auch nach Hause zu Besuch. Das weiß ich von Erzählungen.
Nach dem Krieg - besuchte uns eben in dieser Gastwirtschaft oft eine Adi Dostler, die aus Pressath (Oberpfalz) stammte. Diese war ebenfalls geistig und körperlich behindert und lebte in Michelfeld im Kloster und war mit uns verwandt. Sie wurde aber nicht abtransportiert.