Adolf Böhm
Adolf Böhm wurde am 20. Januar 1873 im nordböhmischen Teplitz-Schönau (heute Teplice, Tschechien) geboren. Er war Kaufmann, sozial engagierter Kommunalpolitiker und zionistischer Schriftsteller, wie aus dem Eintrag in einem jüdischen Lexikon hervorgeht.
Böhm war Mitinhaber, später Inhaber der Wattefabrik Moritz Böhm & Sohn in Wien. In zionistischen Kreisen erwarb er sich hohes Ansehen durch seine Buch Die zionistische Bewegung (2 Bände 1920 und 1921; neu aufgelegt 1935 und 1937. Der abschließende dritte Band konnte nicht mehr erscheinen).
In seiner Einleitung zum ersten Band (in der zweiten Auflage) schrieb Adolf Böhm, er habe seine Aufgabe nicht darin gesehen,
den Zionismus vornehmlich in seinem heutigen Ringen um Geltung und Verwirklichung darzustellen, vielmehr wollte ich ihn von innen her, in seiner Entstehung, Eigenbewegung und potentiellen Energie erfassen.
Zudem war er Herausgeber und seit 1927 auch Redakteur der Zeitschrift Palästina. Zeitschrift für den Aufbau Palästinas.
Schließlich publizierte er das Handbuch Der jüdische Nationalfonds in mehreren Auflagen (1931 unter dem hebräisierten Titel Der Keren Kayemeth Leisrael (Jüdischer Nationalfonds). Geschichte, Aufgabe, Tätigkeit. erschienen).
Seine Niederschrift der Geschichte der zionistischen Bewegung, sowie seine Mitgliedschaft im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde waren Grund für SS Obersturmbannführer Adolf Eichmann, Böhm bereits vor dem März 1938 persönlich aufzusuchen.1 Eichmann kam sechs Wochen lang jeden Werktag in die Fabrik M. Böhm & Sohn, um Böhm eine Liste der einflussreichsten und vermögenden Juden abzupressen. Zu den Druckmitteln gehörte laut Familienerzählungen auch die Versiegelung der Buchkästen in der Fabrik, wo Böhm seine Historie des Zionismus erstellt hatte. Adolf Böhm erlitt einen Nervenzusammenbruch, in weiterer Folge wurde er vermutlich im Sanatorium Inzersdorf und vom 20. September 1940 bis zum 7. März 1941 im „Erholungsheim Berta Presser“ in Kaltenleutgeben (Bezirk Mödling, damals Wien) untergebracht.
Aus Kaltenleutgeben wurde Adolf Böhm mit einer möglichen Zwischenstation in Maria Gugging in die Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" in Wien weiterverlegt und von dort am 13. März 1941 angeblich in das „Gouv.Polen/Anstalt für jüd. Geisteskranke“ gebracht. In Wahrheit wurde er an diesem Tag mit 20 anderen Patient/inn/en nach Hartheim überstellt und ermordet. Offiziell verstarb Böhm am 10. April 1941 in Chelm (heute Polen). Das war bei jüdischen Opfern der „Aktion T4“ eine übliche Tarnangabe. Die Lebensversicherung für Adolf Böhm war seltsamerweise schon am 21. Dezember 1940 vom Finanzamt Wien "für Reichsfluchtsteuer gepfändet" worden.
In einem im Exil erschienen Zeitungsartikel zu seinem Ableben im April 1941 stand zu lesen, dass ihm nach dem „Anschluss“ Österreichs“ an das Dritte Reich, „die Leitung der Wiener Judengemeinde übertragen“ hätte werden sollen. Dazu kam es aber nicht, denn "Die Nacht des Wahnsinns hatte ihn bereits umfangen. Er fühlte sich persönlich verantwortlich für das grausame Schicksal seines Volkes".
Die Firma M. Böhm & Sohn hatte man im März 1939 arisiert und an Max Willner aus Berlin übertragen. Sie wurde später an Adolf Böhms Sohn, Ernest Bowen (ehem. Ernst Böhm) im Rahmen des Dritten Rückstellungsgesetzes, mit den üblichen Bedingungen und hohen Ablösen für vorgebliche Investitionen, rückgestellt.
Böhms Ehefrau, Olga, geb. Lemberger, wurde in Auschwitz ermordet (Eintrag Totenbuch Theresienstadt). Seinen Kindern, Elisabeth und Ernst, gelang die Flucht nach Nordamerika bzw. Australien.
Adolf Böhms Todfallsaufnahme und Testamentseinantwortung war bis zum Jahr 2003 nicht auffindbar und wurde im Zuge von Recherchen der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde gefunden. Von seiner Patientenkartei auf der Baumgartner Höhe ist lediglich die Hülle übrig geblieben.
Böhm hat mehrfache Einladungen nach Palästina, auch zur Emigration, abgelehnt, er hat bis zum Schluss die Möglichkeit fataler Konsequenzen des Nationalsozialismus negiert. Auf einer seiner letzten Reisen nach Palästina, vermutlich 1934 hat er umfangreiche Teile der Bibliothek von Stefan Zweig mitgenommen, die nun an der Universität in Jerusalem untergebracht sind.
Seine Schriften sind teilweise im Zentralen Zionistischen Archiv in Jerusalem einsehbar.2
1 Protokolle des Verfahrens gegen Eichmann in Jerusalem: "A black SS uniform, which later became so well-known to us. We had previously discussed amongst ourselves, for we knew that something had to happen, that someone had to take over the direction of Jewish affairs. Eichmann sat behind a large desk. We had to stand. He asked our names and a description of the sphere of our activities in Jewish life. Adolf Boehm and the others introduced themselves. When Eichmann heard the name Adolf Boehm, he asked: Are you the Adolf Boehm who published the History of Zionism? When Adolf Boehm answered affirmatively, the Accused replied: 'Very interesting. I studied this work in detail. In particular I was interested in that passage on a certain page,' and he began to recite by heart the full contents of this page. We exchanged amazed glances. Thereupon Eichmann made some remarks in Hebrew, and said: 'You should not be surprised, I speak Hebrew and Yiddish fluently, since I was born in Sarona' [German Templar Colony in Palestine]“, http://www.nizkor.org/hweb/people/e/eichmann-adolf/transcripts/Sessions/Session-016-06.html, siehe auch Doron Rabinovici, Instanzen der Ohnmacht (2000).